Referrer sind doch eine tolle Sache â so bekommt man erst mit, was die Be-sucher denn so alles suchen. Einer wollte neulich alle primzahlen aufgezĂ€hlt haben.
Damit kann ich leider nicht dienen, denn es gibt eine ganze Menge Primzahlen â unendlich viele, um genau zu sein.
Viel
Geht es noch genauer? Unendlich ist ja nicht gleich unendlich. Nimmt man zum Beispiel nur die geraden Zahlen (2, 4, 6, 8, 10, âŠ), so gibt es davon offenbar[1] weniger als von den natĂŒrlichen Zahlen (1, 2, 3, 4, âŠ). Von den "runden" Zahlen (1, 10, 100, 1000, âŠ) gibt es dann noch weniger. Wie mag es wohl mit den Primzahlen aussehen?
Es gibt so viele Primzahlen, daĂ
HĂ€h?
OK, der Reihe nach; zuerst stellt sich die Frage, was da eigentlich steht. Das ist relativ einfach. Wenn wir alle Primzahlen nehmen (pÏ”P), zu jeder den Kehrwert bilden (1/p), und diese Kehrwerte dann aufsummieren (Æ©), dann wird das Ergebnis unendlich groĂ. Auf den ersten Blick ist das vielleicht nicht verwunderlich; immerhin addieren wir unendlich viele Zahlen, die alle positiv sind.
Wenn wir aber statt 1/p die reziproken Zweierpotenzen addieren, dann ist das Ergebnis durchaus endlich: 1/2+1/4+1/8+âŠ=1. Warum? Naja, 1/2 ist die HĂ€lfte von 1; 1/4 ist die HĂ€lfte von dem, was dann noch zu 1 fehlt, und so weiter:
Wenn die Zahlen, deren Kehrwerte ich addiere, also schnell genug gröĂer werden, dann kann die Reihe[3] konvergieren, also eine endliche Zahl als Ergebnis haben. DaĂ die Reihe der reziproken Primzahlen divergiert, bedeutet also, daĂ sie nicht sehr schnell gröĂer werden â daĂ es also recht viele von ihnen gibt.
Langsam
Was heiĂt nicht sehr schnell? Nun, die Reihe der reziproken natĂŒrlichen Zahlen, 1+1/2+1/3+1/4+âŠ, divergiert, i.e. die natĂŒrlichen Zahlen wachsen in diesem Sinne langsam. Die Quadratzahlen wachsen dagegen schnell, 1+1/4+1/9+1/16+⊠konvergiert nĂ€mlich[4] â nimmt man stattdessen dritte oder vierte Potenzen, so wachsen die Zahlen natĂŒrlich schneller, und die Reihen konvergieren auch. Man kann zeigen, daĂ Æ©1/nr immer konvergiert, solange r nur gröĂer als 1 ist. Es reicht, r=1,001 (oder noch kleiner) zu wĂ€hlen. Das heiĂt, daĂ die Folge der Primzahlen tatsĂ€chlich sehr langsam wachsen muĂ, damit die Reihe divergiert.
An's Eingemachte
Behaupten kann man viel, wenn der Tag lang ist. Mathematiker wollen aber immer Beweise dafĂŒr sehen. Der, den ich hier vorfĂŒhren möchte, stammt von dem berĂŒhmten Ungarn ErdĆs. Ich folge dabei dem Buch von Aigner und Ziegler[5].
Der Beweis ist wieder ein Widerspruchsbeweis, i.e. wir nehmen an, daĂ die Behauptung gerade nicht stimmt, rechnen ein biĂchen herum und finden dabei einen Widerspruch. Daraus folgt dann, daĂ die Annahme falsch war.
Nehmen wir also an, daĂ die Reihe konvergiert. Wenn wir nun die ersten Summanden ĂŒberspringen, dann wird die Gesamtsumme kleiner, und wenn wir genĂŒgend Summanden ĂŒberspringen, können wir die Gesamtsumme kleiner als 1/2 machen.[6]
WĂ€hlen wir also k genĂŒgend groĂ, und denken wir uns noch irgendeine Zahl N aus, mit der wir die ganze Ungleichung multiplizieren, dann gilt:
Wenn wir jetzt alle Zahlen betrachten, die nicht gröĂer sind als N, dann gibt es solche, die sich durch eine Primzahl teilen lassen, die in unserer verkĂŒrzten Reihe vorhanden ist; ihre Anzahl wollen wir b nennen. Und es gibt solche, die nur Primteiler besitzen, die unter den ersten k Primzahlen sind und deswegen nicht in der verkĂŒrzten Reihe vorkommen; ihre Anzahl sei s. Weil alle Zahlen entweder zu der einen oder anderen Kategorie gehören mĂŒssen, ist s+b=N.
Wie groĂ ist b? Nun, fĂŒr eine Primzahl pi gibt es Zahlen, die durch sie teilbar sind. Wenn wir diesen Ausdruck ĂŒber alle Primzahlen summieren, dann liegen wir vielleicht zu hoch, aber sicher nicht zu niedrig[7].
Wenn wir also summieren, dann steht wieder unsere Ungleichung von oben da, und es gilt: b < N/2.
Wie sieht es fĂŒr s aus? Das geht anders, und zwar so: Wir schreiben jede Zahl n, die zu s zĂ€hlt, als n=a·q2. Dabei ist a das Produkt aller Primfaktoren, die in n nur einmal vorkommen. Zum Beispiel ist 150=2·3·5·5, also a=2·3=6 und q=5.
Um die Frage zu klĂ€ren, wie groĂ s ist, mĂŒssen wir also ĂŒberlegen, wie viele verschiedene a und q es gibt. Das ist einfach: in a kommt jede Primzahl einmal oder keinmal vor, das sind zwei Möglichkeiten pro Primzahl. Da fĂŒr s nur die ersten k Primzahlen in Frage kommen, sind das 2·2·2âŠ=2k Möglichkeiten. Bei q machen wir es uns ganz einfach: q2 †n, und n †N, also q †âN.
Damit ist s †2kâN.
Widerworte
Am Anfang hatten wir uns ja ein N ausgedacht, aber alle Ăberlegungen waren völlig allgemein. Wir können uns jetzt also noch umentscheiden und zum Beispiel N=22k+2 nehmen. Dann ist s †s2k+1 (Einsetzen in die letzte Gleichung vom vorigen Absatz), also kleiner als N/2.
Weil b aber auch kleiner als N/2 ist, muĂ s+b kleiner als N sein.
Am Anfang hatten wir aber gesehen, daĂ s+b gerade gleich N ist. Beides gleichzeitig geht nicht, und da haben wir unseren Widerspruch.
Ende
Also, lieber unbekannter Google-User: es gibt nicht nur unendlich viele, sondern sogar verdammt viele Primzahlen, und die kann ich Dir unmöglich alle aufzÀhlen.
Noten
[1] Ganz so einfach ist die Sache eigentlich nicht, dann auf eine sehr intuitive[2] Art gibt es gleich viele gerade und natĂŒrliche Zahlen. Das hört sich jetzt seltsam an, weil ja jede gerade Zahl eine natĂŒrliche ist, es aber auch natĂŒrliche Zahlen gibt, die nicht gerade sind â die ungeraden eben. Man kann aber von unendlichen Mengen durchaus einige Elemente wegnehmen, ohne daĂ die Menge kleiner wĂŒrde.
In der Tat lĂ€Ăt sich diese Eigenschaft als Definition von unendlich verwenden.
[2] Vielleicht schreibe ich dazu noch einen Eintrag.
[3] Eine Reihe ist, vereinfacht gesagt, eine Summe unendlich vieler Zahlen.
[4] Und zwar gegen Ï2/6.
[5] Dieses Buch, das in Anlehnung an eine Idee von ErdĆs Das BUCH der Beweise heiĂt, kann man gar nicht genug loben. Deswegen wandert es jetzt erstmal in meine Sidebar.
[6] Das ist eine Eigenschaft von Grenzwerten. Letztlich ist der Grund der, daĂ die Reihe sich an ihr Ergebnis heranschleicht.
[7] Zu hoch deshalb, weil wir einiges doppelt zĂ€hlen: 6 ist zum Beispiel durch 2 und 3 teilbar, und wir wĂŒrden sie einmal bei den Vielfachen von 2, einmal bei denen von 3 zĂ€hlen.
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