Vor gut drei Jahren habe ich Patrick Rothfuss' Debüt The Name of the Wind gelesen. Das Buch hat mich damals wirklich begeistert, es hat auch direkt fünf Sterne bei Lovelybooks bekommen, und natürlich mußte eine Rezension geschrieben werden. Ich machte ein paar Stichworte -- die Welt, die Rothfuss erschaffen hat, ist sehr anders als die übliche Fantasy, dabei sehr überzeugend, ich habe aber nicht herausgefunden, warum. Ja, und dabei ist es dann geblieben.
Inzwischen hat nicht nur das Warten auf den zweiten Teil, The Wise Man's Fear, ein Ende, ich habe das Buch auch schon gelesen und versuche mich nochmal an einer Rezension.
Die Geschichte spielt -- wie das im Genre so üblich ist -- in einer Art Pseudo-Mittelalter, und sie handelt von einem Mann namens Kvothe. Der Klappentext charakterisiert ihn so:
I have stolen princesses back from sleeping barrow kings. I burned down the town of Trebon. I have spent the night with Felurian and left with both my sanity and my life. I was expelled from the University at a younger age than most people are allowed in. I tread paths by moonlight that others fear to speak of during day. I have talked to Gods, loved women, and written songs that make the minstrels weep. My name is Kvothe. You may have heard of me.
Kvothe ist eines Tages verschwunden, und niemand weiß, was aus ihm geworden ist: er nennt sich jetzt Kote und betreibt in irgendeinem gottverlassenen Kuhkaff ein Wirtshaus. Dort hat er bisher ein ruhiges Leben verbracht, doch zu Beginn des ersten Bandes passieren einige sehr beunruhigende Dinge, die einen Mann des Dorfes das Leben kosten -- und Kote weiß offenbar mehr darüber. Gleichzeitig taucht ein Schreiber namens Chronicler auf. Er erkennt Kvothe und überredet ihn, seine Geschichte zu erzählen. Der Rest der beiden Bücher besteht im wesentlichen aus dieser Geschichte.
Sehr gut hat mir gefallen, daß Rothfuss auf die typischen High-Fantasy-Zutaten (Orks, Elben, Zwerge) verzichtet. Das heißt natürlich nicht, daß er alles neu erfindet; man findet zum Beispiel die Fae, den alten Glauben, daß die Kenntnis von Namen Macht verleiht, oder auch die antimagischen Eigenschaften von Eisen. Dabei präsentiert der Autor seine Welt durch und durch glaubwürdig. Als Beispiel mag an dieser Stelle die Magie herhalten. Sie ist zwar Standardzutat in der Fantasy, aber immer ein zweischneidiges Schwert: zum einen kann sie beim Leser ein Staunen auslösen; andererseits bringt sie aber den Autoren in Erklärungsnot: warum kann der Held Situation X mit magischer Hilfe meistern, nicht aber das Ziel einer Quest mit einem Fingerschnippen erreichen? Könnte er das, wäre manch ein Buch nur halb so dick...
Bei Rothfuss sprechen nur Laien von Magie. Die Eingeweihten (Arcanists) unterscheiden da zwischen den Fachrichtungen: es gibt Alchemie, Naming, Sympathy und Sygaldry ...
Sympathy zum Beispiel bedeutet, daß der Arcanist zwischen zwei Dingen eine Verbindung schafft, und zwar letztlich durch seine feste Überzeugung (Alar), daß diese Verbindung existiert. Dann kann man z.B. den einen Gegenstand hochheben oder erwärmen, worauf der zweite, verbundene Gegenstand ebenfalls emporschwebt (oder warm wird), ohne daß von außen eine Ursache erkennbar wäre. So weit, so magisch. Das heißt aber nicht, daß man einfach einen Kiesel mit einem Felsen verbinden und diesen dann hochheben könnte -- der Energieerhaltungssatz gilt auch hier, und der Kiesel fühlt sich, sobald er verbunden ist, so schwer an wie der Fels. Doch damit nicht genug: je ähnlicher sich zwei Dinge sind, desto besser die Verbindung. Zwei gleiche Münzen oder ein Feuer mit einer Handvoll seiner Asche gehen besser als etwa zwei Äste von unterschiedlichen Bäumen, und diese wieder besser als zwei völlig verschiedene Dinge (eine Münze mit einem Ast). Je schlechter aber eine Verbindung ist, desto schwieriger, sie zu nutzen: wenn ich also mit dem Ast einer Münze hochheben will, so wird sich dieser wesentlich schwerer anfühlen, als das Gewicht von Ast und Münze allein es erklären können. Die überschüssige Energie (Slippage) geht dann unkontrolliert in die Umgebung. Das erinnert an die Beschränkungen thermodynamischer Maschinen.
Natürlich dreht sich Kvothes Leben nicht nur um Magie, aber hier sieht man noch am leichtesten, warum die Geschichte so glaubwürdig wirkt. Die anderen Aspekte sind nicht weniger überzeugend dargestellt -- seien es die als Diebe und Vagabunden verschrieenen, aber auch als Musiker und Schauspieler geachteten Edema Ruh, das von meditierenden Schwertkämpfern bevölkerte Ademre, oder aber die durch den Austausch gravierter Ringe zum Ausdruck gebrachte Hierarchie am Hofe des Maer Aldaron.
Manches, was im ersten Band noch ein Rätsel war, wird in Wise Man's Fear zumindest etwas klarer, und ich bin schon versucht, The Name of the Wind nochmals zu lesen; anderes -- wie die Scrael -- taucht in Kvothes Erzählung gar nicht auf und bleibt dunkel. Nicht nur deshalb, sondern auch, weil dies die besten Fantasybücher sind, die ich seit langem gelesen habe, freue ich mich bereits auf den dritten Band.
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