NOV
2005
Wenn man Science-Fiction in near future und far future einteilt, dann verbinde ich far future zuerst mit Größe -- eine komplett besiedelte Milchstraße darf es da schon gerne sein. Die in der Regel sehr viel weiter fortgeschrittene technische Entwicklung tritt dagegen eher in den Hintergrund.
Matthew Huges' Geschichten um den Privatdetektiv Henghis Hapthorn entsprechen dieser Erwartung gar nicht, obwohl sie ungewöhnlich weit in der Zukunft angesiedelt sind: im vorletzten Zeitalter, the penultimate age of Old Earth nämlich -- und im letzten Zeitalter wird die Sonne das Ende ihrer Lebensdauer erreichen und die Erde unbewohnbar; ganz schön weit weg also, und doch ist die Handlung auf wenige Schauplätze, die sich sämtlich auf der Erde befinden, beschränkt.
Die Bevölkerungszahl ist offenbar deutlich gesunken, und die verbleibende Gesellschaft macht auf mich einen feudalen Eindruck, allerdings ohne daß Leibeigene in Erscheinung träten: die Charaktere leben in selbstverständlichem Luxus, ohne daß sie dafür eine arbeitende Klasse ausbeuten müßten.
Man könnte erwarten, daß beim Lesen der Eindruck eines historischen Romans mit ein paar Anachronismen (Internet, flugfähige Autos, ...) entstünde. Daß dem nicht so ist, liegt an Hughes' Fähigkeit, mit Sprache umzugehen. Während in einem historischen Roman je nach Fähigkeit des Autors Gegenwartssprache mit mehr oder weniger veralteten Einsprengseln verwendet wird, bedient sich Hughes einer Sprache, die gleichzeitig fremd und -- der portraitierten Gesellschaft entsprechend -- förmlich ist, ohne veraltet zu wirken.
Das beginnt bei einzelnen Begriffen -- Hapthorn ist nicht der best private detective, sondern first and foremost freelance discriminator, seine öffentlich beschäftigten Kollegen werden scroots genannt, weil sie im Bureau of Scrutiny arbeiten, und verurteilte Verbrecher landen im Contemplarium;
und es durchzieht auch die gesamte in der Ich-Form geschriebene Erzählung:
When confined to the Bureau of Scrutiny's barren coop one has a certain perspective. It alters when one is ensconced in the warmth of home.
Solche Perlen finden sich in den als Novelets ("Romänchen") bei F&SF erschienenen Geschichten zuhauf, und sie sind es auch, die mich ungeduldig auf jede neue Episode warten lassen.
Die Handlung ist zwar in der Regel nett, und nicht alles ist so, wie es zunächst erscheint; sie tritt aber gegen den sprachlichen Genuß ziemlich in den Hintergrund.
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