Archive vom August, 2012

Diese Geschichte beginnt -- irgendwie -- in den achtziger Jahren. Damals habe ich als Zehn- oder Zwölfjähriger die Stadtbücherei heimgesucht und Bücher über Orientierungslauf (und Segelfliegen, Segeln und alles mögliche andere) verschlungen. Irgendwie hat mich das Thema fasziniert, aber ich erinnere mich nicht, ob ich wirklich Lust hatte, diesen Sport selbst zu betreiben, oder ob das eher abstraktes Interesse war.

Fünfzehn Jahre später

Im Jahr 1999 habe ich mit dem Laufen angefangen. Zunächst waren das nur ein paar Runden im Park, aber bald kamen die ersten 5 km-Straßenläufe dazu. Die Läufe wurden länger, und spätestens als ich 2004 begann, die Strecken jenseits der Marathondistanz zu erkunden, wurde der Ruf der Landschaft immer lauter: Trainingsläufe von dreißig, vierzig Kilometern machen auf einem Stadtkurs einfach keinen Spaß. Zum Glück war die Gegend um meine damalige Heimatstadt dicht von S-Bahnlinien durchzogen, so daß es kein Problem war, fast jeden Sonntag eine andere Strecke zu laufen, den nächsten Bahnhof anzusteuern und sich einem gemütlichen Frühstück entgegenfahren zu lassen.

OL für Arme

Einen GPS-Empfänger besaß ich damals noch nicht, und so war eine Landkarte vom entfernteren Teil der Strecke mein steter Begleiter.
Überhaupt, Landkarten: diese kleinen Kunstwerke bewundere ich schon lange. Da kam mir diese Gelegenheit, sie praktisch einzusetzen, gerade recht.
Eines Tages begab es sich, daß ich aus dem Wald in einen kleinen Weiler namens Ilbeck und von dort zur nächsten Landstraße lief. Daß ich in dem engen Ort falsch abgebogen und um 180 Grad vom Kurs abgekommen war, bemerkte ich erst ein paar Kilometer später, als die Form der Landstraße so gar nicht zur Karte passen wollte. Ein Kompaß mußte her.
Ungefähr zu dieser Zeit fand auch die Deutschland-Staffel statt, bei der ich zwei Etappen mitgelaufen bin. Wenn man eine Stunde oder so mit unbekannten Läufern unterwegs ist, kommt man schonmal ins Quatschen, und einer der Mitläufer stellte sich als OLer heraus. Das wäre wohl die Gelegenheit gewesen, nach Einstieg, Wettkämpfen und so weiter zu fragen, aus irgendeinem Grunde habe ich das damals versäumt.

Neuzeit

Wiederum fast zehn Jahre später habe ich Job und Bundesland gewechselt, geheiratet, und meine Strecken (etwas) verkürzt. Vor ein paar Wochen schob ich den Kinderwagen an einer Reihe parkender Autos entlang, als mir auf dem Heck eines der Wagen ein Aufkleber auffiel: Orientierungslauf! Jetzt aber, sagte ich mir; zu Hause am Rechner kam erstmal die Ernüchterung: Wettkämpfe sind dünn gesät, viel dünner als Straßenläufe. In Uslar gibt es trotzdem einen, der zeitlich und räumlich erreichbar ist. Meinen Kollegen habe ich schnell als Mitstreiter gewonnen, eine Mail an den Veranstalter ergibt: Zum Einstieg wird die Bahn offen-leicht mit zehn Posten auf 2.5 Kilometern empfohlen, er bietet mir aber an, danach falls gewünscht noch eine andere Bahn zu laufen.
Die nächsten Wochen bin ich so aufgedreht, daß ich im Netz pausenlos nach OL-Seiten suche.

Wegsam

Dann ist der große Tag da: nachdem der Parkplatz gefunden ist, machen wir uns auf den Weg zum Wettkampfzentrum: ein kleiner Tisch auf einem Picknickplatz, an dem man die Startunterlagen abholen kann. Ringsherum herrscht schon geschäftiges Treiben, immerhin starten hier an die 200 Läufer. Trotzdem erinnert die Atmosphäre -- das wird mir besonders nach dem Zieleinlauf auffallen -- eher an einen Familienausflug. Ich nehme meinen Chip in Empfang, ziehe mich um und wandere zum Start, der gut fünfzehnhundert Meter weit weg ist. Oben im Wald finde ich eine Handvoll Läufer, eine Uhr an einem Baum und zu meiner Überraschung eine Kollegin mit der Startliste. Ich überbrücke die Wartezeit, indem ich immer wieder auf den Kompaß blicke, damit ich beim Start die Karte gleich richtig drehen kann.
Nach ein paar Minuten darf ich dann den Startbereich betreten, meinen Chip löschen und mich vor eine der Wäschewannen stellen, in denen mit dem Gesicht nach unten die Karten liegen. Eine lange Minute später schickt mich die Startuhr piep...piep...piep...PIIIP auf die Reise, ich schnappe mir eine Karte und laufe los.

Hinterher

Als ich knapp einundfünfzig Minuten später im Ziel "stempele", bin ich überwältigt von den neuen Eindrücken, der Spannung des Laufes und der schieren Freude, sich in unbekanntem Terrain allein mittels einer Karte zu orientieren und dabei Objekte von der Größe einer Stehlampe zu finden.

Dann stellt sich die Frage: noch einmal antreten oder nach Hause fahren? Es juckt mich sehr in den Beinen, nochmals zu laufen. Die zweieinhalb Kilometer Luftlinie sind gelaufen nicht viel mehr als drei gewesen, und drei Kilometer sind ziemlich wenig. Gut, drei Kilometer durchs Unterholz und über kaum noch zu erkennende Wege sind ein bißchen mehr als drei Kilometer Asphalt, aber immer noch ziemlich kurz.
Letztlich entscheide ich mich aus Zeitgründen für den Heimweg: bis ich das organisatorische geklärt und mich wieder zum Start begeben habe, dürfte die Zeit bis zum Zielschluß für mein Anfängertempo arg knapp geworden sein.

Jetzt sitze ich hier vorm Rechner, schreibe diesen Blogeintrag, und kann die Zeit bis zum nächsten Lauf kaum noch abwarten. Und wenn ich es gar nicht mehr abwarten kann, dann schiebe ich vielleicht noch einen Eintrag zum Lauf selbst hinterher.

1 Kommentar

Gerade habe ich Kushiel's Dart von Jaqueline Carey beendet. Hui. Wo soll ich anfangen? Vielleicht beim Offensichtlichen: den Roman (erster Teil einer Trilogie, das ist heutzutage ja die Norm) ist im Grunde High Fantasy. Es gibt zwar keine Elfen und Zauberer, aber dafür jede Menge tapferer Ritter, die mit einem Lied auf den Lippen in den sicheren Tod reiten. Ja, und ein bißchen Magie ist gelegentlich auch zu finden. Andererseits paßt auch die Bezeichnung Alternative History. Denn die Geschichte spielt irgendwann im Mittelalter, so genau kann ich das nicht festlegen, aber es gibt zwei wesentliche Punkte, die mit unserer Welt nicht übereinstimmen: da ist zunächst der Master of the Straits, eine gottähnliche Gestalt auf einer Insel im Ärmelkanal. Er kann diese wegen eines Fluchs nicht verlassen und beschäftigt sich mit Schiffe versenken; genauer gesagt, er unterbindet fast den ganzen Verkehr zwischen dem, was sonst England wäre (und hier Alba, also Schottland heißt) und mangels Normannen noch von Kelten bewohnt wird, und dem Kontinent. Außerdem ist die Entstehung des Christentums etwas anders gelaufen, und die Anhänger Eluas (mit der Verkündung Love as thou wilt) haben sich in Terre d'Ange niedergelassen, das ungefähr dem heutigen Frankreich entspricht. auf mich wirkt das Land wie eine seltsame Mischung aus England und Frankreich, aber das mag auch an meinem mangelndes Wissen über die französische Monarchie liegen.

Den Aposteln, von denen sich jeder einem anderen Aspekt fleischlicher Lust gewidmet hat, sind Einzelne Häuser des Night Court gewidmet -- eine Art religiös untermauerter Edelbordelle.

Unsere Heldin, Phèdre, hat ihre Kindheit auch in einem dieser Häuser verbracht1, wechselt dann jedoch in einen privaten Haushalt. Ihr neuer Herr2 läßt ihr eine umfassende Ausbildung angedeihen, damit sie für ihn bei der Erbringung sexueller Dienstleistungen heimlich Informationen zu einem zunächst unbekannten Zweck beschafft.
Damit stürzt die Autorin uns in ein Verwirrspiel aus Politik, höfischen Intrigen, Verrat und letztlich sogar Krieg, daß es ziemlich schwierig wird, einigermaßen den Durchblick zu behalten. Ob man das positiv oder negativ bewertet, bleibt jedem selbst überlassen. Pluspunkte gibt es jedenfalls für die sehr glaubwürdige Darstellung der Feudalgesellschaft in Terre d'Ange und die schöne Idee des sexuell orientierten Glaubens. Mich persönlich hat auch das seltsame Parallel-Europa mit den interessanten Städte-Namen fasziniert, obwohl das wahrscheinlich keine besondere schriftstellerische Leistung darstellt. Störend fand ich lediglich die Stellen, an denen es doch sehr pathetisch wurde -- bei High Fantasy vielleicht unvermeidlich. Insgesamt gebe ich vier von fünf Sternen.

  1. dabei läuft alles streng gesittet ab, minderjährige Adepten werden höchstens als Bedienung bei Banketten eingesetzt []
  2. im feudalen Sinne []
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Grmbl. Die erste Version dieses Beitrags hat WordPress für iOS gefressen.

Ich habe vor einigen Jahren meinen etwas schwierigen, vor allem durch last.fm bedingten Umstieg von analoger Musik auf MP3 beschrieben. Auch wenn sich mein Kopf (oder Bauch?) immer noch schwer tut: inzwischen bin ich im musikalischen Digitalzeitalter angekommen, ein iPhone ist schlicht viel transportabler als ein Plattenspieler, und wenn es nur bei der Hausarbeit ist.
Ich hatte mich damals nach einem sehr kurzen, wenig erfreulichen Versuch mit der Open-Source-Software Audacity mach einiger Suche für die Programme Peak und Soundsoap von Bias entschieden, um LPs aufzunehmen, zu entknistern und zu schneiden.
Nachdem mein Plattenspieler nun über ein Jahr komplett stillgestanden hat, fällt mir die Titelauswahl in letzter Zeit wieder etwas schwer: immerhin habe ich höchstens ein Drittel meiner Sammlung digitalisiert.
Also flugs die Software gestartet, den Rechner verkabelt, und -- Moment. Die Audiosoftware will neu freigeschaltet werden, wohl, weil ich den Rechner irgendwann austauschen mußte. Das bekomme ich erstmal nicht hin, und bei der Fehlersuche stelle ich fest, daß es die Firma Bias nicht mehr gibt.

Ups. Keine Ahnung, ob ich irgendwie meine bezahlten Programme wieder benutzen könnte, aber spätestens wenn sie mit einem der nächsten Betriebssysteme nicht mehr kompatibel sind, ist Ende im Gelände. So ist das eben mit Closed Source -- da kann man froh sein, wenigstens die alten Dokumente noch lesen zu können. Ich habe jedenfalls den ganzen Kram von der Festplatte geworfen und stattdessen die aktuelle Version von Audacity installiert; vielleicht werde ich ja doch noch warm damit.

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