Kategorie ‘Demokratie’

Ich verstehe mal wieder nix.
In letzter Zeit hört man dauernd, das Internet werde von der organisierten Kriminalität den Terroristen für ihre Machenschaften genutzt, und deshalb brauche man jetzt ganz dringend Online-Durchsuchungen. Nachlesen kann man das zum Beispiel hier und noch an mindestens 3572 anderen Stellen.

Mal ganz davon abgesehen, daß mit dieser Dämonisierung des Netzes niemandem geholfen ist: wo bitte bleibt da die Logik? Das kommt mir ungefähr so vor, als wolle man Verbrecher, die sich per Telefon verabreden, durch die Einführung von Haussuchungen fangen.

Wer solch einen Unsinn verzapft, darf sich hinterher auch nicht wundern, wenn niemand mehr der Politik vertraut.

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Wenn die Polizei heimlich lauschen will, dann ist es ihr auch erlaubt. Will sie es nicht, dann ist es ihr auch verboten.

Ja, soweit ist es gekommen in Deutschland. Immerhin, ein Trost bleibt uns: langsam regt sich Widerstand, und zwar nicht nur bei den üblichen Verdächtigen, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft. Hoffentlich hilft's.

Ich will einen solchen Staat nicht.

Ich auch nicht.

[via Heise]

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Während die Vorratsdatenspeicherung langsam am Horizont auftaucht, ist das Thema Online-Durchsuchung in aller Munde. Im Gegensatz zu einer gewöhnlichen Hausdurchsuchung soll die heimlich stattfinden, indem dem verdächtigen Rechner ein Trojaner untergeschoben wird; der soll dann allerlei interessante Daten an die Polizei oder den Verfassungsschutz senden.

Das ist zunächst eine genauso unangenehme Vorstellung wie die, daß ein paar Kripobeamte meinen Kleiderschrank durchwühlen könnten. Aber es gibt da einen wichtigen Unterschied: wenn die Polizei mit einem Durchsuchungsbefehl an der Tür erscheint, kann ich sie zwar schlecht mit dem Spruch wir kaufen nichts draußen stehenlassen; ich kann mich aber hinterher juristisch dagegen wehren. Wenn mein Rechner ausspioniert wird, kann ich das nicht, weil das heimlich passiert. Und genau deswegen gibt es da ein paar moralische und rechtliche Probleme.

Herr Schäuble, der Bundesinnenminister, hat der taz gesagt:

Ich kenne und respektiere die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Privatsphäre. Aber wir müssen auch sehen, dass dieser Schutz in der Alltagswirklichkeit praktikabel bleibt. Verbrecher und Terroristen sind klug genug, so etwas auszunutzen. Die tarnen ihre Informationen dann zum Beispiel als Tagebucheintrag. So leicht dürfen wir es denen nicht machen.

Wie darf ich das denn verstehen? Tagebücher von (mutmaßlichen) Verbrechern und Terroristen dürfen durchsucht werden? Wenn der Innenminister dann behauptet, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts respektieren zu wollen, muß ich dann annehmen, daß die Tagebücher von unbescholtenen Bürgern sicher sind, deren andere Dateien aber schon durchsucht werden? Wohl kaum (obwohl mich momentan nicht mehr viel wundert); es sollen ja überhaupt nur die Rechner von Verbrechern und Terroristen ausspioniert werden. Dabei sollen dann also die Tagebücher grundsätzlich nicht ausgenommen werden. Gleichzeitig behauptet der Innenminister aber, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts respektieren zu wollen.

Wenn ich noch einmal in dessen Urteil aus dem Jahre 2004 sehe, so lese ich:

In diesen Bereich darf die akustische Überwachung von Wohnraum […] nicht eingreifen. Eine Abwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zwischen der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) und dem Strafverfolgungsinteresse findet insoweit nicht statt.

Was genau hat der Innenminister an dem Satz eine Abwägung findet nicht statt nicht verstanden? Dieser Leitsatz des Urteils ist jedenfalls nicht zu vereinen mit der klar angedeuteten Absicht, Tagebücher eben doch ausforschen zu wollen. Da die Formulierung des Gerichts sehr klar und verständlich ist, drängt sich der böse Verdacht auf, daß der Minister sich durch das Urteil zu sehr eingeengt fühlt und es deswegen bei dem zu formulierenden Gesetz einfach mißachten will. Dann wäre die Behauptung, die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts respektieren zu wollen, eine reine Nebelkerze — er kann ja schlecht sagen die Rechtsprechung des Verfassungsgerichts ist mir schnuppe. Mir wird jedenfalls vor lauter Kopfschütteln der Bildschirm schon ganz unscharf.

Bei der Gelegenheit möchte ich auch noch daran erinnern, daß das besagte Urteil zum Großen Lauschangriff nicht einstimmig ergangen ist. Vielmehr haben die Richterinnen Jaeger und Hohmann-Dennhardt die von der Mehrheit abweichende Meinung vertreten, daß der Große Lauschangriff grundsätzlich verfassungswidrig sei. Eine strenge Auslegung des Schutzes der Menschenwürde sei nötig, um heute nicht mehr den Anfängen, sondern einem bitteren Ende zu wehren.

Ich hätte mir sehr gewünscht, daß diese Meinung mehrheitsfähig gewesen wäre.

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Weiß nix mehr

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In letzter Zeit gibt es den Trend, Parlamentswahlen nicht mehr mit Wahlzetteln und Kulis, sondern lieber mit Freund Computer zu veranstalten. Das mag sich ja für den Laien ganz nett anhören — die Wahlhelfer können ein Stündchen früher nach Hause, und Computer können besser zählen als Menschen, und überhaupt.

Aber mal ehrlich: hört bloß auf mit dem Mist. Eine Stimmauszählung per Hand kann jeder kontrollieren. Man kann im Zweifel auch nochmal nachzählen. Wie soll das bei einem Computer gehen? Und wer kann das Programm, das auf dem Rechner läuft, kontrollieren? Das dürfte selbst den meisten Fachleuten schwerfallen — und ist für Nicht-Experten gänzlich unmöglich. Außerdem: was spricht eigentlich gegen die althergebrachte Wahl mit Papier und Stift?
Für technisches Spielzeug bin ich immer zu haben, aber gerade bei Wahlen sollte man sich doch besser auf das beschränken, was nötig ist.

Soweit die Kurzfassung. Ausführlicheres gibt's anderswo: Tim beschäftigt sich mit Wolfgang & Wolfgang. Bruce Schneier schreibt über die Situation in den USA, in denen schon länger maschinell gewählt wird. Rop Gonggrijp von Wij vertrouwen stemcomputers niet spielt Schach mit dem Wahlcomputer und hat der c't ein Interview gegeben.

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40something ist wieder genesen und hat einen Blick unter den Bierdeckel getan. Das hätte er besser bleiben lassen, denn was man da findet, sieht in der Regel nicht so gut aus, und vom Geruch wollen wir gar nicht erst reden.
Der lieber Herr Merz ist also der Meinung, daß den Wähler nicht interessieren müsse, wieviel er in seinen Nebentätigkeiten (11 an der Zahl) verdient. Wohlgemerkt: auf den Cent will das niemand wissen, er müßte nur angeben, ob er bis 3500 Euro, bis 7000 Euro, oder über 7000 Euro dazuverdient.
Offenbar ist das aber schon zuviel.

Bei gewöhnlichen Arbeitnehmern sieht die Sache natürlich anders aus, sie müssen ihre Nebentätigkeiten anzeigen und oft sogar genehmigen lassen.

Naja, ich geb's ja zu: bei Abgeordneten habe ich in der Regel nicht das Gefühl, daß sie sich als Angestellte der Bürger betrachten. Warum also sollten sie sich den Regeln unterwerfen, die in normalen Dienstverhältnissen gelten?

Einen ganz netten Bericht gibt es bei Spon.

Kommentare deaktiviert für Es stinkt

Wenn man sich ein bißchen in Geschichtsbüchern, Zeitungen und ähnlichem umsieht, bekommt man das Gefühl, daß Zensur zu allen Zeiten und in allen Kulturen ausgeübt worden ist und ausgeübt wird. Daß sie nicht in allen Weltgegenden und zu allen Zeiten im gleichen Maße betrieben wird, ist klar, ändert aber an dem grundsätzlichen Problem nichts.
Amnesty International hat jetzt die Kampagne irrepressible.info gestartet. Es geht darum, Auszüge aus zensierten Webseiten im Web möglichst weit zu verbreiten. Weil ich das für eine gute Idee halte, gibt es ab sofort auch hier ununterdrückbare Informationen (siehe rechts unten).

[via netbitch]

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Andernorts hält man linksliberal für ein Modewort. Che mußte ob dieser — sagen wir mal — etwas ungewöhnlichen Einschätzung seinen armen Perser mit den Fäusten traktieren, und Netbitch betreibt kategorische Geographie.
Ich belasse es dann bei Kopfschütteln und einem vorsichtigen Hinweis auf die Weimarer Parteienlandschaft.

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Die EU-Vorratsdatenspeicherung ist einerseits schon wieder old news, man hört nicht mehr viel darüber, die Medien berichten über andere Dinge; andererseits ist sie überhaupt kein Schnee von gestern, sondern eher welcher von morgen: die Umsetzung in nationales Recht steht schließlich noch bevor. Es sieht sogar so aus, als ob diese noch etwas länger auf sich warten lassen könnte, fast so, als ob die gern zitierte terroristische Bedrohung doch nicht so groß wäre.

Der Salzburger Richter Franz Schmidbauer schreibt bei Telepolis aus juristischer Sicht über die Richtlinie.
Viel mehr, als seinen Artikel zu empfehlen, fällt mir jetzt leider auch nicht ein — ich habe keine wirkliche Hoffnung, daß wir aus dem Schlamassel einigermaßen unbeschadet herauskommen. Selbst dann, wenn die Mehrheit der Parlamentarier irgendwann zu der Überzeugung kommen sollte, daß eine Vorratsdatenspeicherung mehr schadet als nutzt, dürfte die Angst vor Gesichtsverlust viele davon abhalten, diese Überzeugung auch auszusprechen und die Rücknahme der Richtlinie zu betreiben.

Kommentare deaktiviert für Breit gespitzelt

Es dürfte inzwischen nicht mehr verwundern, daß der Bundestag aller Voraussicht nach heute einen großen Schritt in Richtung Überwachungsstaat machen wird; daß er eben dies vor noch gar nicht so langer Zeit abgelehnt hat, und zwar auch mit den Stimmen von SPD und CDU/CSU, scheint jetzt nicht mehr weiter zu stören.
Dann hilft wohl — wieder einmal — nur der hoffnungsfrohe Blick nach Karlsruhe. Nachteilig an der Sache ist natürlich, daß manch einer glaubt, bei einem ihm nicht genehmen Urteil gleich die Verfassung ändern zu müssen.

Da bleiben mir echt die Spucke weg; immerhin haben wir, wenn es wirklich hart auf hart kommt, noch Artikel 79 (3).

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