Archive vom Juli, 2010

England in den fünfziger Jahren: die alten Landsitze sehen zwar romantisch aus, aber ihre verarmten Eigentümer können sich weder Personal noch Reparaturarbeiten leisten. Schlimmer noch, manch einer muß sogar arbeiten gehen, um überhaupt noch über die Runden zu kommen. Im Familiensitz von Lord Rowcester tropft es zwar auch gehörig, aber immerhin gibt es noch eine Köchin und einen Butler. Seine Lordschaft betätigt sich unter Zuhilfenahme eines falschen Bartes gelegentlich als Buchmacher. Wenn allerdings das falsche Pferd gewinnt, birgt dieses Geschäft doch gewisse Risiken. Wie gut, wenn eine amerikanische Millionärin mit spiritistischen Interessen Gefallen an dem alten Gemäuer zeigt.

Zugegeben, Rowcesters Schwager, Sir Roderick, hat ein unnachahmliches Talent, zur falschen Zeit das Falsche zu sagen, und könnte bei den Verkaufsverhandlungen hinderlich sein. Doch der Butler ist niemand Geringeres als Jeeves, und der hat bekanntlich stets eine Idee parat.

Bertie Wooster taucht in dieser Geschichte übrigens nicht auf, er besucht eine Schule, um das Leben ohne Personal zu erlernen. Seine Abwesenheit tut das Ihre, um Ring for Jeeves ein ganz eigenes Lesegefühl zu geben.

Ring for Jeeves ist in meinen Augen einer der schwächeren Bände aus der Reihe. Zum einen gleitet Wodehouse' üblicher Wortwitz hier zu sehr in Richtung Slapstick ab, zum anderen fehlt mir der gediegene aristokratische Hintergrund der Geschichten. Zwar ist es durchaus ein Genuß anzusehen, wie der Autor sich über eben diesen Adel lustig macht, aber zu Jeeves gehört eben eine gediegenere Atmosphäre.

Ich habe das Buch trotzdem sehr genossen, im Kontrast zu den älteren Bände möchte ich aber einen (Bewertungs-)Stern abziehen.

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Ist es sehr unnormal, das hier toll zu finden?

2 Kommentare

Eine Rezension zu einem neuen Jeeves-Band muß vor allem betonen, daß sich soviel gegen über den anderen Bänden gar nicht geändert hat. Geblieben sind der Sprachwitz, der leicht trottelige, aber unglaublich liebenswerte Bertie, sein übermenschlicher und doch so bescheidener Diener Jeeves. Außerdem natürlich das Leben in der britischen Oberschicht der (inzwischen) dreißiger Jahre -- eine Gesellschaft, in der niemand arbeiten muß, in der es keine Sachzwänge gibt, sondern höchstens gesellschaftliche Verpflichtungen.

Come at once. Travers.

Ganz besonders gilt das natürlich für die lieben Verwandten, denn die Familie läßt man unter keinen Umständen im Stich. Das heißt natürlich nicht, daß man sich nicht ein bißchen zieren kann oder die eine oder andere Aufgabe etwas erleichtern.

Perplexed. Explain. Bertie.

Als Bertrams Lieblingstante Dahlia ihn bittet, im örtlichen Gymnasium Schülerpreise zu verleihen, schiebt er seinen Freund Gussie vor. Der ist zwar ein Experte, was Molche anbetrifft, im menschlichen Umgang aber weniger gewandt -- ein Geek, würde man heute sagen. Als Berties Cousine ihre Verlobung löst, fährt er dann doch zu seiner Tante, um die Dinge ins Lot zu bringen.

What on earth is there to be perplexed about, ass? Come at once. Travers.

Einmal dort angekommen, steigt die Zahl der Konflikte, bei denen er seine Hilfe anbietet, ins Unermessliche. Leider tragen Berties Ideen nicht gerade dazu bei, die Probleme zu lösen, sondern erzeugen im Gegenteil nur neue Schwierigkeiten.

How do you mean come at once? Regards. Bertie.

Letztlich muß Jeeves dann die Dinge wieder richten, und er tut das in seiner üblichen Art: mit beinahe einem einzigen Kunstgriff lösen sich alle Animositäten in Wohlgefallen auf.

I mean come at once, you maddening half-wit. What did you think I meant? Come at once or expect an aunt's curse first post tomorrow. Love. Travers.

Neben dem subtilen Humor, der sich durch die Geschichten zieht, gefällt mir vor allem die Figur des Bertie Wooster. Seine Versuche, Freunden zu helfen, gehen zwar meist schief und bedürfen Jeeves' helfender Hand; aber er stellt sich nie völlig dämlich an. Und auch wenn oft alle auf ihn schimpfen, fabriziert er das Chaos in seiner Umgebung doch selten wirklich allein. Bei alledem genießt er das Leben und läßt sich den Spaß nicht nehmen.

When you say 'Come' do you mean 'Come to Brinkley Court'? And when you say 'At once' do you mean 'At once'? Fogged. At a loss. All the best. Bertie.

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Robin Hobb hat's einfach drauf. Ich habe keine Ahnung, wie sie es macht, aber bei jedem ihrer Bücher ging mir das Schicksal der Protagonisten innerhalb kürzester Zeit so zu Herzen, daß ich mit dem Lesen nicht mehr aufhören konnte. Shaman's Crossing ist da keine Ausnahme.

Ich finde Hobbs Werke unglaublich spannend, meine damit aber nicht die Spannung eines Krimis: nicht der Fortgang der Handlung steht im Mittelpunkt meiner Aufmerksamkeit, sondern das Seelenleben der Charaktere und die Art, in der sie mit ihrem Schicksal umgehen.

Shaman's Crossing, der erste Teil der Soldier Son-Trilogie, spielt in einer fiktiven feudalistischen Gesellschaft irgendwo zwischen Spätmittelalter und Barock, mit einem leichten Wild-West-Einschlag. Es ist eine chauvinistische und streng religiöse Welt, in der Frauen möglichst vorteilhaft verheiratet werden und nicht viel zu sagen haben, während die Männer den Beruf ihres Vaters ergreifen. Lediglich für Söhne adliger Väter hat der sehr christlich anmutende good god eine andere Laufbahn vorgesehen: der Erstgeborene erbt Besitz und Titel, der zweite wird Soldat, der dritte Priester und so weiter.

Das Land befindet sich mitten in einem Umbruch. Nachdem die nomadischen Bewohner der angrenzenden Steppen in einem langen Krieg besiegt wurden -- man mußte die Wilden zähmen und ihnen die Vorteile der Zivilisation beibringen -- werden Offiziere, die sich besonders ausgezeichnet haben, vom König in den Adelsstand erhoben. Sie sollen die neu eroberten Gebiete besiedeln, während die Expansion des Reiches weitergeht.

Nevare ist der zweitgeborene Sohn eines solchen New Noble, und nach seiner Ausbildung auf dem heimischen Gut wird er mit achtzehn in die Militärakademie in der Hauptstadt aufgenommen. Er stellt allmählich fest, daß hier nicht nur strenge Disziplin herrscht, sondern die Kadetten auch Spielbälle in politischen Ränkespielen sind, von deren Existenz er nichts geahnt hat.

Unterdessen gestalten sich die weiteren Eroberungen schwierig: die Speck oder Gefleckten Menschen wollen so gar nicht dem Bild des edlen Wilden entsprechen, der mit unterlegenen Waffen zum offenen Kampf antritt, und den es zu zähmen gilt. Sie sind eher Guerilla-Kämpfen, man weiß wenig von ihnen, achtet sie nicht, und weiß nicht so recht, wie man mit ihnen fertigwerden soll. Außerdem gibt es da noch eine Seuche, die in in der Nähe der Gefleckten halbe Garnisonen ausrottet, und von der man munkelt, sie werde beim Geschlechtsverkehr übertragen...

An dieser Stelle ist eigentlich klar, daß die Speck in den folgenden Bänden eine wichtige Rolle spielen werden, und es sollte mich nicht wundern, wenn sich aus der Nähe manches anders darstellte, als es dem Protagonisten derzeit erscheint.

Über all diesen Ereignissen liegen die kleinen Sorgen und Nöte der Charaktere -- insbesondere eben die Nevares -- und die bringt einem die Autorin eben sehr nahe.

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