JUN
2007
Letzte Woche habe ich über Cassiopeia eine neue Web-2.0-Seite kennengelernt: Reliwa, natürlich stilecht im Beta-Status.
Die Idee ist einfach: man gibt Bücher an, für die man sich interessiert, und bekommt eine Liste der Leute, die ähnliches lesen. Idealerweise (also irgendwann, wenn es einmal genügend Benutzer gibt) kann man auf diese Weise interessante Werke entdecken, die dem eigenen Geschmack entsprechen.
Das gleiche funktioniert auch bei Musik und Filmen; und Rezensionen kann man dort auch schreiben.
Zum Beispiel über Schild's Ladder:
Das weite Feld der Science Fiction wird gerne in soft und hard SF unterteilt. In beiden Fällen ist eine nicht wirklich existierende Technik oder eine wissenschaftliche Weiterentwicklung zentral für den Fortgang der Geschichte — wie zentral, darüber kann man trefflich streiten. In der soft SF ist diese Verbindung zur Wissenschaft lediglich Mittel zum Zweck: ein neuartiger Antrieb ermöglicht es etwa, zu fernen Planeten zu fliegen (und mit Ausnahme der Erde sind eigentlich alle Planeten fern). Ist dagegen eine wissenschaftliche Spekulation selbst Thema der Geschichte, so rechnet man diese der hard SF zu.
Ein herausragender Autor auf diesem Gebiet ist der Australier Greg Egan. Auf seinen Roman Schild's Ladder bin ich über eine Buchbesprechung aufmerksam geworden — aber mehr als alles, was der Rezensent formuliert hat, hat mich ein Zitat aus dem Buch fasziniert:
My earliest memories are of CP4 — that's a Kähler manifold that looks locally like a vector space with four complex dimensions, though the global topology's quite different.
Als ich diesen Satz gelesen habe, war mir klar, daß ich auch das Buch lesen wollte. Das hat sich in der Tat gelohnt, obwohl mich die eigentliche Handlung nur mäßig fasziniert hat.
Zu Beginn der Geschichte wird ein physikalisches Experiment durchgeführt, das aus dem Ruder läuft: in seiner Folge bläht sich eine Blase aus Novo-Vakuum, einer veränderten Struktur des Raumes, mit halber Lichtgeschwindigkeit aus. Sie zerstört alles, was in ihrem Weg liegt, und das sind in der Regel ganze Sonnensysteme mit all ihren Bewohnern.
Die Menschheit scheidet sich in zwei Lager: die Yielder wollen das Novo-Vakuum genauer untersuchen, ist seine Physik doch auch im Kontext der Handlung noch unbekannt. Die Preservationists dagegen versuchen, die Blase zu zerstören, um sie an der Vernichtung der Menschheit zu hindern.
Viel interessanter finde ich jedoch die Konzepte, die der Autor in die Handlung einflicht. Da ist zunächst die QGD oder Quantengraphdynamik, die die Physik der Elementarteilchen auf kleinstem Maßstab beschreibt. Egan geht hier durchaus so weit in's Detail, daß Mathematik- oder Physikkenntnisse, die über Schulniveau hinausgehen, zum Verständnis hilfreich sind. Trotzdem er sich eben nicht mit dem Hinwerfen einiger Fachbegriffe begnügt, bleibt seine Beschreibung der (fiktiven!) QGD aber jederzeit glaubwürdig.
In zwanzigtausend Jahren ist es durchaus nicht mehr notwendig, in einem Körper zu leben. Diejenigen, die es dennoch tun, sind zunächst Neutren. Erst dann, wenn zwei Menschen Zuneigung zueinander entwickeln, bilden sich bei ihnen Geschlechtsmerkmale heraus. Das dauert einige Monate, und das Ergebnis ist jedesmal anders.
Dann gibt es da noch die Zeitreisenden, denen überall Theater vorgespielt wird; eine Methode, um auch als Unsterblicher man selbst zu bleiben; und… aber das müßt ihr schon selbst nachlesen.
12.05 am 1 Kommentarvon kirjoittaessani
2010-05-14 at 12.51 am
[...] der Protagonist eines Egan-Romans von seinen Kindheitserinnerungen an die Kähler-Mannigfaltigkeit berichtete; nur, daß ich damals sofort, nachdem ich das Zitat in einer Rezension entdeckt hatte, hin und weg [...]